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Dorfidylle - Der Fortsetzungsroman

Dorfidylle #15

Hotel.

David dachte auf dem Weg zum Hotel unentwegt an die vergangene Nacht mit Sid. Alles war so anders gewesen, als er es kannte. Kein schneller Sex, wie mit Alexander. Keine unausgesprochenen Erwartungen wie mit Julian. Vielleicht ging es Sid ja ähnlich. Vielleicht war er der Mann, auf den David so lange gewartet hatte. Doch dann blitzte in Davids Erinnerung die eigenartige Begegnung mit Sids Onkel heute Morgen wieder auf. Sid hatte ihm nicht beigestanden. Dafür hatte David keine vernünftige Erklärung.

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Total verschwitzt kam er am Hotel an. Er sah auf sein Handy. Es war zehn nach zehn. Mist! Schnell schob er sein Rad in den Schuppen, ordnete seine Klamotten und ging so ruhig wie möglich zum Haupteingang, damit er nicht noch mehr schwitzte.
Vor dem Empfangstresen stand ein ganzer Pulk von Menschen, die ungeduldig darauf warteten, an die Reihe zu kommen. Hinter dem Tresen versuchte Alina, der Situation Herr zu werden. Als sie David bemerkte, verdrehte sie zwar die Augen, aber er sah auch die Erleichterung in ihren Augen.
»Wo kommst du denn jetzt her?«, zischte Konrad, der mit zwei Koffern in den Händen an ihm vorbeieilte, ihm in diesem Moment zu. »Du bist zu spät!«
Bevor David zu einer Erklärung ansetzen konnte, wandte sich sein Chef schon zwei Gästen zu und fragte sie unterwürfig, ob sie noch mehr Gepäck hätten. Dann verschwand er mit ihnen nach draußen. David umrundete den Tresen und stellte sich an den Computer.
»Konrad ist völlig durch«, murmelte Alina ihm zu. »Offenbar hat er gestern gesoffen und macht heute Morgen einen Fehler nach dem anderen.«
Sie lächelte dem nächsten Gast zu, nahm seine Kreditkarte entgegen und steckte sie in das Lesegerät.
»Ich hoffe, Sie hatten einen guten Aufenthalt bei uns!«
Auch David wandte sich jetzt einem der Gäste zu. Er kannte die Gesichter von gestern Abend und die meisten waren im Aufbruch und wollten zahlen. Einige hatten die Minibar geplündert, andere betonten, wie angenehm es sei, in diesem ruhigen Hotel auf dem Land zu übernachten. Die Stimmung auf der anderen Seite des Tresens war offenbar gelassen. Bislang wurde niemand ausfällig oder beschwerte sich, dass das hier zu langsam ging.
»Wenn ich pünktlich gekommen wäre, hätte das auch nicht viel geändert, oder?«, fragte David seine Kollegin zwischen zwei Abrechnungen.
»Der Chef hat sich einfach verkalkuliert. Wir müssten viel besser besetzt sein.« Alina zwinkerte ihm zu. »Ich hab dich heute Morgen ganz früh gesehen.«
»Wann?«
Alina lachte leise. Sie umrundete den Tresen, nahm einem Gast den Koffer ab und ging mit ihm vor die Tür. Als sie zurückkam, hatte sie ein breites Grinsen im Gesicht.
»Ich hab das Frühstück vorbereitet«, flüsterte sie David zu. »Also war ich früh unterwegs. Der Transporter stand noch nicht vor der Tür und als du kamst, sahst du nicht aus, als hättest du viel geschlafen.«
»Ich habe lange aufgeräumt«, versuchte David sich zu erklären.
»Die Kolleginnen hast du aber um zwölf nach Hause geschickt.«
Sie zog fragend die Augenbrauen hoch. Wieder kamen Gäste, die auschecken wollten, sodass David in Ruhe über seine nächste Antwort nachdenken konnte.
»Sie waren doch gestern auf dem gräflichen Hof«, sagte jetzt eine Dame zu ihm. David erinnerte sich an das Gesicht. Sie war eine der Damen, die den Streit zwischen Sid und seinem Onkel mitbekommen hatten. »Man hatte den Eindruck, dass Sie Georg vermutlich recht gut kennen«, fuhr die Frau fort, während sie ihre Geldbörse aus der Handtasche zog. »Ich habe Sie immer wieder mit ihm zusammenstehen sehen.«
»Ich habe Herrn von Lehengrund zu Schallenberg erst ein paarmal getroffen«, gab David freundlich zurück.
Er wollte sich von der Dame nicht tiefer ein Gespräch verwickeln lassen, das nur unangenehm enden konnte. Doch die Dame sah das offenbar ganz anders.
»Nach all den schlimmen Erlebnissen in seiner Kindheit kann Georg sicherlich einen guten Freund brauchen.« Sie sah ihn neugierig an. »Sind Sie ein guter Freund?«
Innerlich stöhnte David. Was um alles in der Welt sollte er denn bitte dazu sagen?
»Hat Ihnen der Aufenthalt bei uns gefallen?«, versuchte er abzulenken.
Die Dame bestätigte, dass die Zimmer sehr ordentlich und das Frühstück durchaus akzeptabel gewesen seien. Sie war also offenbar Besseres gewohnt. Das wunderte David nicht, denn die meisten Gäste von Sids Geburtstag dünsteten Geld und Reichtum geradezu aus.
»Sie haben die Feier gestern wirklich ganz wunderbar organisiert«, fuhr die Dame unbeeindruckt von den hinter ihr Wartenden fort.
David dankte freundlich. Die Dame hatte bezahlt, alles war geregelt. Trotzdem schien sich noch nicht verabschieden zu wollen. Sie betrachtete David eingehend.

»Man hört ja so einiges über die Eskapaden des Jungen in London.

Er muss recht wild durch die angesagtesten Klubs gezogen sein.« Sie machte eine bedeutungsschwangere Pause. »Und seine Vorliebe für das männliche Geschlecht ist auch nicht zu übersehen.«
Sie lächelte David an. Und der lächelte professionell zurück. Langsam stieg ihm die Hitze ins Gesicht und er wollte diese Frau so schnell wie möglich loswerden. Doch die beugte sich jetzt vor und raunte ihm zu:
»Sie beide würden doch ganz wunderbar zusammenpassen, n’est-ce pas?«
David zuckte zusammen. Sah man ihm etwa an, dass er auf Jungs stand? Er versuchte doch alles, um das in der Öffentlichkeit zu verbergen. Also drückte er sein Kreuz durch und blickte der Dame höflich und direkt in die Augen.
»Ich bin verlobt«, sagte er, ohne mit der Wimper zu zucken. »Das tut mir sehr leid für den jungen Grafen.«
Enttäuscht zog die Dame ihren Kopf zurück.
»Oh«, sagte sie. »Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.«
Endlich verabschiedete sie sich und stolzierte mit ihrer Reisetasche in der Armbeuge auf den Ausgang zu. David atmete auf. Und er spürte Alinas Blicke von der Seite auf sich gerichtet.
»Du hast also lange mit Georg zusammengestanden?«, fragte sie amüsiert. »Wie lange denn? Bis um sechs?«
»Wir haben uns nur ein bisschen unterhalten.«
Wieder lachte Alina.
»Was man heute alles so Unterhalten nennt …« Sie boxte David leicht in die Seite. »By the way: Ich wusste gar nicht, dass du verlobt bist. Wer ist denn der Glückliche?«
David winkte genervt ab.
Als sie die Gäste eine Stunde später alle abgefertigt hatten, verzogen sich die beiden mit Kaffee hinter das Hotel. Alina steckte sich eine Zigarette an und blies gedankenverloren den Rauch in die Höhe.
»Was ist eigentlich damals bei diesem Unfall passiert?«, fragte David möglichst ungezwungen. »Irgendwie sprechen alle darüber, aber die meisten spekulieren einfach nur.«
Alina sah ihn amüsiert an.
»Du willst alles über ihn wissen, oder?«
»Mich interessiert das nur einfach. Mehr nicht.«
Alina dachte eine Weile nach, bevor sie antwortete.
»Ehrlich gesagt weiß ich auch nichts Genaues. Das ist alles ziemlich mysteriös. Das Auto ist von der Straße abgekommen. Das Wetter soll trocken und klar gewesen sein. Kein Nebel. Kein Regen. Und Tiere laufen hier selten über die Straße. Sie sind weiter oben in den Wäldern. Aber es war auch kein anderes Auto an dem Unfall beteiligt. Zumindest hat sich bei den Nachforschungen der Polizei nichts ergeben. Keine Zeugen. Und die Leute im Unfallwagen waren tot. Die konnten nichts mehr dazu sagen.«
Davids Handy brummte. Er zog es aus der Tasche und sah auf das Display. Eine Nachricht von einer unbekannten Nummer.
Wir sollten uns besser nicht mehr treffen. Tut mir leid. Sid.
Wortlos starrte David auf die Nachricht. Was hatte das denn jetzt zu bedeuten? Er kapierte einfach nicht, was in Sid vorging. Kälte auf seinem Rücken ließ ihn kurz zittern. Er tippte eine Antwort:
Was ist passiert? Macht dir dein Onkel Druck?
Die beiden Häkchen neben der Nachricht färbten sich umgehend blau. Sid hatte seine Message also gelesen. Für ein paar Sekunden tanzten die drei Punkte für eine neue Nachricht auf seinem Display. Doch es kam keine Antwort.
»Schlechte Nachrichten?«, erkundigte sich Alina und drückte ihre Zigarette aus.
Stumm schüttelte David den Kopf und steckte das Handy zurück in die Hose. Dann fiel ihm plötzlich ein, dass er Sid seine Nummer gar nicht gegeben hatte. Woher hatte er dann den Kontakt?
»Komisch«, murmelte er.
»Was ist komisch.«
»Ach … ich habe gerade eine Nachricht von jemandem bekommen, der meine Nummer gar nicht hat.«
Als es neben ihm stumm blieb, hob er den Kopf. Alina hatte einen knallroten Kopf bekommen und sah ein wenig betreten aus.
»Die Nachricht war von Georg, oder?«, fragte sie.
David runzelte die Stirn. »Wie kommst du darauf?«
»Er hat letzte Woche auf dem Frühlingsfest nach deiner Nummer gefragt. Und ich hab gedacht, ihr passt bestimmt gut zusammen. Also habe ich sie ihm gegeben.« Sie riss die Augen theatralisch weit auf. »Ich konnte ja nicht wissen, dass du verlobt bist.«
Sie lachte und ging dann an ihm vorbei zurück ins Hotel. David folgte ihr. Sie mussten das gesamte Hotel aufräumen, die Zimmer kontrollieren, sich mit der Putzfrau abstimmen und in der Küche die Berge an Geschirr vom Frühstück spülen. Damit war David in den nächsten Stunden beschäftigt und er kam gar nicht dazu, weiter nachzudenken. Zwar schoss ihm manchmal kurz die Nachricht von Sid durch den Kopf, aber weil er sich bei der Arbeit nicht durch seine privaten Angelegenheiten ablenken lassen wollte, hatte er das Handy im kleinen Aufenthaltsraum der Angestellten auf den Tisch gelegt. Manchmal war er versucht, nachzusehen, ob Sid ihm geantwortet hatte, doch er hielt sich zurück. Er hatte das Gleiche schon einmal mit Julian erlebt und wochenlang auf eine Antwort gewartet, die nie gekommen war. Das wollte er nicht noch einmal durchmachen. Auch wenn er heute Morgen so ein gutes Gefühl gehabt hatte. Er wollte keinem Kerl mehr nachlaufen. Dafür war er zu alt. Fand er.
Also nahm er sein Telefon erst ein paar Stunden später wieder in die Hand. Irritiert sah er, dass er zwölf Anrufe erhalten hatte. Aufgeregt entsperrte er das Display und hoffte, dass Sid sich gemeldet hatte und mit ihm reden wollte. Doch die Anrufe kamen alle von einer unbekannten Festnetznummer aus dem Dorf. Und David konnte sich nicht vorstellen, dass Sid vom Festnetz seines Onkels bei ihm angerufen hatte. Eine Nachricht hatte er auf der Mailbox, die er sofort abhörte.
Ihm schallte die aufgeregte Stimme seiner Nachbarin entgegen, die ihn fragte, wo er war, und ihn bat, dringend nach Hause zu kommen. Mehr hatte sie nicht in der Mailbox hinterlassen. Die Nachricht war eineinhalb Stunden alt und Davids Herz begann aufgeregt zu pochen. War zu Hause irgendwas passiert? Seine Mutter hätte der Nachbarin doch sagen können, dass er im Hotel war. Er rief die Nummer zurück, aber es ging niemand ans Telefon. Kurz überlegte er, seine Mutter anzurufen, doch ein vages Gefühl der Angst hielt ihn davon ab. Ganz so, als wollte er gar nicht erfahren, was so dringend gewesen war.
David verabschiedete sich schnell von den Kollegen, umging Konrad dabei geschickt, mit dem er noch gar nicht weiter über sein Zuspätkommen geredet hatte, und hetzte zu seinem Fahrrad. Beinahe wäre er mit dem Vorderreifen an einer Bordsteinkante hängen geblieben. Im letzten Moment wich er aus und bremste. Er musste die Ruhe bewahren, sonst würde er gar nicht zu Hause ankommen.

© Stephan Meyer, Köln 2022 – Alle Rechte vorbehalten


Das war das fünfzehnte Kapitel des Fortsetzungsromans Dorfidylle. Hast du Fehler gefunden? Ist irgendwas unlogisch? Schreib es mir unten in die Kommentare. Ich freue mich auf deine Rückmeldungen.


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Eine Antwort auf „Dorfidylle #15“

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