Winzer.
Heute Abend schon was vor?
David starrte das Display seines Handys an. Die Nachricht von Alexander hatte ihn aus seinem Dämmerzustand gerissen. Er verbrachte den Sonntag zu Hause, versuchte, seiner Mutter dabei möglichst aus dem Weg zu gehen, und vertrieb sich die Zeit mit einer Serie, die er vor ein paar Tagen bei seinem Streamingdienst gefunden hatte.
Heute Abend treffen sich die Winzer im Bullen und ich suche noch nach einer guten Ausrede, textete Alexander weiter.
Im Prinzip war das eine gute Idee. David könnte sich krank melden und die Schicht auf die Kollegen abwälzen. Oder Konrad müsste sich einfach mal selbst hinter die Theke stellen und Bier zapfen. Schließlich war das seine Gaststätte und er brillierte nicht gerade mit Übereifer.
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Unsere Katze hat gerade in der Scheune wieder Junge bekommen. Wenn du willst, dann kann ich dir die Wollknäuel zeigen 🙂
Der gestrige Abend steckte David noch in den Knochen. Die Begegnung mit Julian hatte ihn kalt erwischt und in der Folge hatte er letzte Nacht kaum ein Auge zugekriegt. Außerdem war er morgen mit ihm verabredet. Vielleicht brachte das die Veränderung, die sich David irgendwie immer noch erhoffte. Wie passte Alexander da rein? War das nicht ein Verrat an Julian?
David stöhnte. Er musste sich von der bescheuerten Idee frei machen, mit Julian wieder zusammenzukommen. Aber wie sollte er das hinkriegen, wenn es sich immer wieder in diesen Brainfuck verirrte?
»Scheiße«, murmelte er.
Dann tippte er eine Antwort an Alexander in sein Handy.
Ich muss heute Abend arbeiten.
Mehr brauchte er nicht schreiben. Alexander würde das schon verstehen. Außerdem sahen sie sich ja dann später im Bullen sowieso. Da könnte David ihm im Zweifelsfall erklären, was gerade mit ihm los war und warum ihn die Welt zurzeit völlig überforderte.
Die Winzer saßen an der großen Tafel in der Ecke, an die ein weiterer Tisch herangestellt war. Die Runde war noch nicht groß, aber in der Regel änderte sich das im Laufe des Abends deutlich. David kannte die Gesichter der Winzer, mit vielen hatte er schon das eine oder andere Mal geredet und er wusste, dass sie fast alle seit Jahren um ihre Existenz kämpften. Die Genossenschaften, die ihnen die meisten Trauben abnahmen, zahlten immer weniger und kaum einer von den alteingesessenen Winzern traute sich, aus den gewohnten Bahnen auszubrechen.
David füllte gerade den Wein in die Gläser, als sich die Tür öffnete und Alexander hereinkam. Er zwinkerte ihm zu, rief ihm ein freundliches »Hallo« zu und setzte sich zu den anderen. David nahm ein weiteres Glas aus dem Regal und goss den Riesling, den Alexander am liebsten trank, bis zur bauchigsten Stelle ein.
Er stellte das Glas vor Alexander, erntete dafür ein dankbares Nicken und versorgte dann die anderen Winzer mit ihren Getränken. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie sich Konrad dem Tisch näherte. Er warf den vorrangig älteren Herren ein paar Worte zu und David spürte, dass sich sein Chef nur zu gerne dazu gesetzt hätte. Doch die Winzer signalisierten ihm durch ihre knappen Antworten, unter sich bleiben zu wollen. Aber das hielt Konrad nicht davon ab, sich mit seinem Wein an den Nachbartisch zu setzen und überschwänglich den letztjährigen Wein der Genossenschaft zu loben. David schämte sich ein wenig fremd, weil Konrad nicht kapierte, wie skeptisch die Winzer der Genossenschaft gegenüberstanden. Schnell nahm er also noch eine Bestellung auf und eilte an die Theke zurück.
Genau in diesem Moment wurde die Tür zum Gastraum aufgestoßen und David stand Sid gegenüber.
Fast wäre ihm das Tablett mit zwei leeren Gläsern aus der Hand gefallen. Dabei hätte er mit dieser Begegnung rechnen können. Immerhin gehörten dem Grafen die lukrativsten Weinhänge der Region und David hatte ja längst mitbekommen, dass Sid in das Geschäft einsteigen sollte. Hinter Sid tauchte daher auch der Graf persönlich auf und zog verärgert die Augenbrauen zusammen, als er David bemerkte.
»Hi!«, stammelte David.
»Hi«, antwortete Sid.
Der Graf sagte kein Wort, sondern schob seinen Neffen wortlos an David vorbei auf den Tisch der Winzer zu. David stellte das Tablett schnell auf die Theke, damit es ihm jetzt nicht doch noch aus den Händen rutschte, und wandte sich möglichst gelassen um. Konrad sprang auf wie von der Tarantel gestochen und begrüßte den Grafen ebenso überschwänglich wie den Neffen. Doch auch ihm widmete der Graf nicht einmal eine Begrüßung, sondern übernahm umgehend den Platz am Kopfende des Winzertisches, ganz so als wollte er allen Anwesenden deutlich machen, wer hier das Sagen hatte. Er stellte seinen Neffen vor und forderte ihn auf, sich rechts neben ihn zu setzen. Doch Sid warf nur einen kurzen Blick auf den Stuhl, sah zu David herüber und entschied sich dann für den Platz links neben seinem Onkel, von dem aus er in den Gastraum und damit auch auf die Theke sehen konnte. Die mürrische Bemerkung seines Onkels, er wisse doch, dass er links schlecht höre, ignorierte er, rückte seinen Stuhl zurecht und warf David dann einen verzweifelten Blick zu. Der Graf sah David eisig an und zischte Sid dann ein paar scharfe Worte zu. Schnell wandte sich David den Bestellungen zu.
Kurz darauf balancierte er das Tablett mit den nächsten Weingläsern an den Tisch und nachdem er die Gläser abgestellt hatte, sah er den Grafen und seinen Neffen auffordernd an.
»Was kann ich Ihnen bringen?«, fragte er den Älteren freundlich.
»Den Sonnenleitner Riesling«, sagte der Graf unterkühlt. »Und ein Glas Mineralwasser.«
»Gerne.« Er sah Sid an. »Und für Sie?«
»Ein Pils«, sagte Sid.
Der Blick des Grafen verdüsterte sich noch weiter.
»Wir sind hier in einer Weinregion und sitzen mit Winzern zusammen!«
»Ich hab aber grad Lust auf ein Bier«, entgegnete Sid aufsässig.
David nickte lediglich und entfernte sich wieder. Damit wollte er nichts zu tun haben. Auf dem Rückweg zur Theke überlegte er, ob er Konrad auffordern sollte, ihm den Service an diesem Tisch abzunehmen, aber ein Blick in dessen Richtung zeigte ihm, dass der heute nicht das geringste Interesse daran hatte, selbst zu arbeiten. Konrad scharwenzelte um den Grafen herum, lobte lautstark dessen Gäste, die vor zwei Wochen hier im Hotel abgestiegen waren, gratulierte Sid nachträglich zum Geburtstag und bekam wieder nicht mit, dass er offenkundig sowohl vom Grafen als auch von den anderen Winzern als aufdringlich wahrgenommen wurde.
Als David ein paar Minuten später mit den georderten Getränken an den Tisch trat, spürte er Alexanders Blick auf sich gerichtet. Sie sahen sich kurz an, Alexander zwinkerte ihm zu und wandte sich dann wieder seinem Tischnachbarn zu, mit dem er gerade darüber diskutierte, wie viel sie den Erntehelfern im Herbst bezahlen konnten. David stellte den Wein vor den Grafen, ging dann um diesen herum und reichte Sid das Bierglas. Dabei berührten sich ihre Hände für einen kurzen Moment und David ließ das Glas sofort los. Da Sid aber noch nicht richtig zugegriffen hatte, rutschte es ihnen aus den Händen und schlug mit einem lauten Krachen auf den Boden auf, wo es zersprang und seinen Inhalt über die Holzdielen verteilte.
»Idiot!«, grollte der Graf,
sah kurz zu David herauf, nur um sich dann Konrad zuzuwenden: »Du hast es also immer noch nicht geschafft, vernünftiges Personal einzustellen. Manchmal überlege ich wirklich, ob es nicht besser ist, den Laden hier an einen anderen Pächter zu geben.«
Unterwürfig sprang Konrad von seinem Platz auf und entschuldigte sich wortreich für David angebliches Missgeschick. Er warf ihm einen Todesblick zu, der David zusammenzucken ließ. Doch genau in diesem Moment sprang ihm Sid zur Seite.
»Das war meine Schuld«, sagte er. »Ich habe das Glas nicht richtig festgehalten.«
»Der Junge soll die Gläser auf den Tisch stellen anstatt sie unseren Gästen in die Hand zu drücken«, polterte Konrad. »Tausendmal habe ich ihm das schon gesagt!«
Noch nie hatte David das von ihm gehört. Aber er war schlau genug, das nicht zu sagen. Denn damit hätte er den Ärger nur noch aufgebauscht.
»Ich hole schnell einen Lappen«, murmelte er und beugte sich nach unten, um die größten Scherben direkt einzusammeln.
Sid legte ihm die Hand beruhigend auf die Schulter und flüsterte eine Entschuldigung. Die Wärme der Handfläche durchdrang Davids T-Shirt problemlos und am liebsten wäre er nie wieder aufgestanden, nur um den Kontakt zu Sid nicht wieder zu verlieren.
»Wir müssen noch mal reden«, raunte Sid ihm zu und sofort bildete sich eine Gänsehaut auf Davids Unterarmen.
Er fühlte das Blut in seinem Gesicht pulsieren. Vermutlich hatte er die Farbe von Campari angenommen. Als er sich aufrichtete, löste sich die Hand von seiner Schulter und er schnappte Alexanders überraschte Mine von der anderen Seite des Tisches auf. David hatte den Eindruck, noch röter zu werden, und plötzlich zog sich über Alexanders Gesicht ein breites Grinsen. Möglichst zügig eilte David mit zwei Scherben in der Hand in die Küche, schnappte sich einen Eimer, einen Lappen und er Kehrblech. Er sammelte die Scherben ein, wischte den Boden sauber und hätte sich dabei am liebsten tausend Kilometer entfernt befunden, nur um den auf ihn gerichteten Blicken zu entgehen.
Sid half ihm beim Saubermachen, obwohl sein Onkel ihm mehrfach klarmachte, dass das nicht seine Aufgabe sei. Der Graf selbst durchborte David mit seinen eisigen Augen. Und Alexander schien sich köstlich zu amüsieren. David war froh, als er kurz darauf ein frisches Bier gezapft und ordnungsgemäß vor Sid abgestellt hatte und sich dann in die Küche zurückziehen konnte, um erst einmal aus der Schusslinien zu sein.
Er legte seine Stirn an das kühle Metall der Oberschränke und war den Tränen nahe. Sein Herz raste. Seine Beine schienen kurz einknicken zu wollen. Und als er seine Hände auf die Ablage stützte, merkte er, dass sie zitterten.
»Was ist denn mit dir los?«, erkundigte sich Anastasiya, die Köchin.
Sie trat auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. David atmete tief durch, drehte sich dann um und lächelte ihr zu.
»Geht schon«, murmelte er. »Komische Gäste heute.«
»Ich weiß, was dir hilft.«
Anastasiya griff neben ihm in den Schrank und beförderte eine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit zutage.
»Guter ukrainischer Wodka. Hat mein Neffe gebrannt. Der hilft bei allem!«
Sie goss drei fingerbreit von der Medizin in ein Wasserglas und reichte es David. Skeptisch nahm der das Glas in die Hand und überlegte, ob er davon blind werden würde.
»Wodka immer in einem Schluck trinken«,
erklärte Anastasiya mit erster Mine. »Sonst denkt man zu viel.«
David setzte das Glas an die Lippen und kippte den Inhalt in seinen Mund. Seine Speiseröhre brannte. Er spürte jeden Winkel seines Magens und einen Moment lang befürchtete er, sich übergeben zu müssen. Doch dann setzte erstaunlicherweise eine tiefe Gelassenheit ein. Schon als er das Glas auf der Anrichte absetzte, grinste er breit.
»Was habe ich gesagt?«, freute sich Anastasiya. »Hilft immer!«
Sie hielt die Flasche hoch und fragte David mit den Augen, ob er noch mehr brauchte, doch er hatte genug.
»Danke«, sagte er und straffte den Rücken. »Jetzt kann ich weitermachen.«
Er drückte der Köchin einen Kuss auf die Wange und drückte die Tür zum Gastraum auf. An der Theke lehnte Alexander und blätterte in einer Broschüre des Hotels. Als David an die Zapfanlage trat, legte er die Broschüre zur Seite und sah ihn fragend an.
»Was war das denn gerade?«, fragte er leise.
»Ist mir einfach aus der Hand gerutscht.«
»Das meine ich nicht«, sagte Alexander amüsiert und beugte sich zu David über den Tresen. »Was genau läuft da zwischen dir und Sid?«
»Was soll da schon laufen?«, entgegnete David möglichst unverfänglich. »Nichts. Ich kenne den ja kaum.«
Alexander lachte laut auf und zog damit für einen kurzen Moment die Aufmerksamkeit der Winzer auf sich. Bis auf Sid wandten sich jedoch alle schnell wieder ihren Gesprächen zu.
»Der zieht dich ja fast mit seinen Blicken aus!«, wisperte Alexander. »Ich hab schon vom Zugucken einen Steifen gekriegt.« Er drehte den Kopf in Richtung der Winzer, nickte Sid zu, der ausdruckslos zu ihnen herüber starrte, und wandte sich dann wieder David zu. »So guckt nur jemand, der genau weiß, was da vor ihm herumläuft. Also: Was ist zwischen euch gelaufen? Ich will alle schmutzigen Details wissen.«
»David«, rief Konrad glücklicherweise jetzt laut. »Die Herren wollen essen!«
David hoffte, dass Alexander ihn jetzt erst mal in Ruhe lassen würde, griff sich einen Block und einen Stift und ging zu den Winzern. Von einem nach dem anderen nahm er die Bestellungen auf, versuchte Sid nicht in die Augen zu sehen, denn er wollte nicht erneut auf Anastasiyas Hilfsmittel zurückgreifen müssen, um den Abend schließlich nur total betrunken zu überstehen. Doch als er der Köchin die Wünsche der Gäste überbracht hatte und diese ihn natürlich zu einem weiteren Glas ukrainischer Medizin überredet hatte – langsam stieg ihm die Wirkung wirklich zu Kopf – lehnte Alexander immer noch am Tresen und grinste.
»Hat der Junge nicht neulich erst groß seinen Geburtstag gefeiert?«, fragte er. »Und warst du nicht für den Service zuständig?«
Alexander nippte an seinem Wein, den er vom Tisch herübergeholt hatte, und schien sich am Tresen häuslich einzurichten. Sid wurde an seinem Platz sichtlich hibbeliger und konnte kaum die Hände still halten. David ließ die Augen zwischen den beiden Kerlen hin und her wandern. Alexander konnte er mittlerweile gut einschätzen. Er ging die Dinge, die ihn beschäftigten geradlinig an und brachte zur Sprache, wenn ihn etwas beschäftigte. Das mochte David an ihm, auch wenn ihm die Direktheit in diesem Moment ein bisschen zu viel war. Aber bei Sid wusste er überhaupt nicht, was in dessen Kopf vorging. Jetzt gerade schien es geradezu so, als sei er bodenlos eifersüchtig auf Alexander, weil er sich am Tresen bei David niedergelassen hatte, während er sich selbst nicht von der Seite seines Onkels loseisen konnte. Als er schließlich doch Anstalten machte, sich zu erheben, hielt ihn der Graf vehement am Arm fest und zog ihn wieder auf seinen Platz.
»Der Junge kann doch noch nicht mal allein aufs Klo gehen«,
raunte Alexander, der die Situation genauso wie David beobachtet hatte.
Sid tuschelte aufgebracht mit seinem Onkel, der schüttelte mit dem Kopf und rief dann in Davids Richtung, dass sein Neffe noch ein Bier wünsche. Sid zog den hochroten Kopf zwischen die Schultern. Alexander amüsierte sich weiter. Und David stellte fest, dass das Bierfass leer war. Aus dem Zapfhahn kam nur noch Luft. David fluchte innerlich. Er hatte die Fässer zwar schon ein paarmal gewechselt, aber bislang waren Alina oder eine der anderen Kolleginnen mit mehr Erfahrung dabei gewesen. Sollte er Konrad fragen, ob er ihm half? Doch als er dem Chek ein Zeichen machte, winkte der genervt ab.
»Soll ich dir helfen?«, fragte Alexander und rutschte schon vom Barhocker herunter. »Ich weiß, dass das nicht so einfach ist.«
David nickte dankbar und als er hinter Alexander den Gastraum in Richtung Keller verließ, fing er einen fast schon panischen Blick von Sid auf. Zum ersten Mal wandelte sich sein Gefühl in Belustigung. Sid war also wirklich eifersüchtig. Aber er stand so sehr unter dem Pantoffel seines Onkels, dass er nicht auf die Idee kam, etwas anderes zu tun, als David geifernd anzustarren. Dann war seine Nachricht nach der gemeinsamen Nacht also nicht auf seiner eigenen Entscheidung gewachsen, sondern er hatte sich vermutlich von seinem Onkel unter Druck setzen lassen. Nun gut, dachte sich David, als er die Stufen in den Keller herabstieg, dann muss der Typ wohl mal in die Hufe kommen. Immerhin hatte Sid den Kontakt unterbrochen und nicht er. Also war auch Sid an der Reihe, aktiv zu werden. David grinste in sich hinein, als er mit Alexander den Kühlkeller mit den Bierfässern erreichte.
»Dem hast du´s echt angetan«, sagte Alexander.
Er zeigte David noch einmal genau, wie er das alte Fass von der Leitung abklemmen musste. Gemeinsam schoben sie das volle Fass in die richtige Position. David sah etwas ratlos auf den Schlauch, den Alexander ihm in die Hand drückte. Doch der zeigte ihm auch, wie er das neue Fass in Betrieb nahm. Als sie fertig waren, sahen sie sich in die Augen.
»Ist er der Grund?«, erkundigte sich Alexander.
»Der Grund wofür?«
»Dass du dich nicht mehr mit mir treffen willst.«
David wollte in einem ersten Impuls alles von sich weisen. Doch dann verzog er das Gesicht zu einem schiefen Lächeln.
»Ich weiß nicht«, murmelte er. »Irgendwie ist das alles gerade etwas verwirrend.«
»Was ist verwirrend?«, fragte Alexander neugierig.
Dann machte er einen Schritt auf David zu, legte ihm eine Hand auf den Hintern, zog ihn sanft zu sich heran und küsste ihn. David verfiel diesem Kuss und bekam sofort eine brettharte Erektion. Er entgegnete den Kuss und schob seine Hüfte an Alexanders Körper. Auch Alexander hatte spürbar einen Steifen. Ihre Zungen umschlangen sich und David spürte Alexanders Dreitagebart über sein Gesicht reiben. Sie pressten ihre Becken aneinander. Alexander beendete den Kuss und strich mit heißen Lippen über Davids Wangen, an seinem Ohr entlang, wanderte zu seinem Hals und David hätte alles dafür gegeben, auf der Stelle Sex mit diesem Kerl zu haben.
»David!«, brüllte Konrad von oben. »Was zur Hölle machst du da unten? Das Essen wird kalt!«
David seufzte und schob Alexander von sich.
»Ist es das, was dich verwirrt?«, erkundigte sich Alexander und grinste.
»Auch«, bestätigte David. »Ich muss nach oben, sonst bringt Konrad mich um.«
»Der sollte froh sein, dass du für ihn arbeitest. Ohne dich und die anderen Hilfskräfte hätte der längst zumachen müssen.«
David lachte und drückte Alexander von sich weg, weil der schon wieder versuchte, ihn zu Dingen zu verführen, die nicht in den Keller des Bullen passten. Sie stiegen die Treppen wieder herauf, David ordnete seine Kleidung notdürftig und hoffte, dass die Erektion möglichst schnell verschwinden würde, und eilte hinter den Tresen.
Anastasiya reichte ihm die Salate, die nicht die Angewohnheit hatten, kalt zu werden, verdrehte die Augen, als Konrad erneut an David herumnörgelte und deutete mit dem Kopf auf den Schrank, hinter dessen Tür sich der Wodka verbarg. David grinste.
»Später vielleicht«, raunte er und trug die Teller in den Gastraum.
Alexander setzte sich gerade auf den Stuhl, der Sid genau gegenüber stand. Offenbar hatte keiner der anderen Winzer Lust auf ein tieferes Gespräch mit dem Grafen und seinem Neffen gehabt, sodass der Platz noch frei war. Er beugte sich ein wenig über den Tisch, sah zum anderen Tischende, wo sich Konrad an einem halb vollen Weinglas festhielt und rief zu ihm herüber:
»Wenn dir der Laden über den Kopf wächst, dann übernehme ich den gerne.«
Konrad riss entrüstet die Augen auf.
»Sag einfach Bescheid«, fuhr Alexander gelassen fort. »Ich habe schon lange den Traum, eine wirklich gute Gastronomie hier in der Gegend einzuführen.«
»Willst du mich hier rausekeln?«, keifte Konrad von der anderen Seite. David bemerkte sofort, dass sein Chef wieder einmal viel zu viel getrunken hatte. »Das wirst du nicht schaffen. Außerdem wird einer wie du hier niemals eine Gaststätte führen.«
Für einen kurzen Moment wurde es im Gastraum des Brüllenden Bullen still. Wusste Konrad etwa, dass Alexander auf Männer stand?, fragte sich David. Er hielt den Atem an und war gespannt, was als Nächstes passieren würde. Die Erde schien für ein paar Sekunden in ihrer stetigen Bewegung gestockt zu sein. Alexander brach das Schweigen selbst:
»Wenn du den Betrieb hier führen kannst, dann kann ich das allemal.«
Die anderen Winzer brachen in Lachen aus. Die unheimlich Stille war unterbrochen. Und David war sich nicht sicher, ob Alexander einen Scherz gemacht oder ob er seine Bemerkung ernst gemeint hatte. Konrads tödliche Blicke hingegen sprachen Bände.
© Stephan Meyer, Köln 2022 – Alle Rechte vorbehalten
Das war das zwanzigste Kapitel des Fortsetzungsromans Dorfidylle. Hast du Fehler gefunden? Ist irgendwas unlogisch? Schreib es mir unten in die Kommentare. Ich freue mich auf deine Rückmeldungen.
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