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Buchvorstellung

Dad. Ich. Zu Hause.

Benjamin Alire Sáenz: Die unerklärliche Logik meines Lebens

Diese Geschichte über den fünfzehnjährigen Sal hat mich gepackt. So wie auch der bereits besprochene Roman Aristoteles und Dante entdecken das Universum des gleichen Autors. Und das nicht nur, weil der Autor eine sagenhaft einfühlsame Sprache hat, sondern auch, weil er mit dem Thema seines Romans tief in meine Seele trifft.

Sals Mutter ist gestorben, als er drei Jahre alt war. Seitdem wird er vom damals besten Freund seiner Mutter aufgezogen. Seinen biologischen Vater kennt er nicht, er denkt aber immer wieder darüber nach, wie es wäre, ihn zu treffen. Doch Vincente, sein Adoptivvater ist derjenige, den er Dad nennt. Um die beiden schwirrt Sals beste Freundin Sam herum, die im Grunde ebenfalls zur Familie gehört und von Sal mehr als Schwester denn als Freundin angesehen wird. Die beiden kleben zusammen und verbringen jeden Tag miteinander.

Ein Buch greift tief in meine Träume ein
Zwei Aspekte haben mich von Anfang an in diesem Roman getriggert: Zum Einen hatte ich in meiner Kindheit und Jugend ebenfalls eine Freundin, die ich seit dem Kindergarten bis zum Abitur fast jeden Tag gesehen habe, die manchmal ebenfalls wie eine Schwester für mich war und zu der ich bis heute einen engen Kontakt habe. Dies ist die Art Freundschaft, der ich immer wieder mit Ehrfurcht begegne, denn sie hat so viele Untiefen durchschifft, dass an ihr heute nicht mehr zu rütteln ist.

Zum Anderen fasziniert mich schon seit Jahren die Vorstellung, eigene Kinder zu haben. Leider war mir der Weg dahin lange rechtlich verbaut und auch heute ist es immer noch ein schwieriges Unterfangen, als schwuler Mann ein Kind zu adoptieren. Darüber hinaus hat es sich in meinen Beziehungen nie ergeben, diese mit einem Kind zu bereichern. Und heute ist es dafür zu spät.

Ich habe immer Leihkinder gehabt und geliebt. Die Söhne eines meiner Cousins waren lange Zeit sehr nah an mir dran, als die Familie in der gleichen Straße lebte, in der ich auch gewohnt habe, und ich nach der Arbeit einfach nur auf dem Spielplatz um die Ecke vorbeigehen brauchte, um die Jungs zu sehen. Einer von ihnen ist mein Patenkind, mit dem ich versuche, trotz der räumlichen Entfernung, die heute zwischen uns liegt, Kontakt zu halten. Als die Familie die Stadt wechselte, war ich darüber unendlich traurig, denn dadurch war der regelmäßige Kontakt schlagartig unterbunden.

Die Kinder von Freund.innen sind zeitweise auch eng mit meinem Leben verknüpft gewesen, doch als die eine oder andere Freundschaft in die Brüche ging, verschwanden auch meist diese Kinder wieder aus meinem Dunstkreis. Und meine Nichten gibt es natürlich auch noch. Allerdings haben sie immer in Berlin und eine kurze Zeit in Kalifornien gelebt, sind mittlerweile erwachsen und leben ihre eigenen Leben.

Ein Traum, der sich nicht verwirklicht hat
Die Vorstellung, einen Menschen von klein auf zu begleiten und zu prägen, diesen Menschen bedingungslos zu lieben und nie allein zu lassen, hat mich lange im positiven Sinne verfolgt und war ein großer Traum von mir. Und doch konnte ich mich nie dazu durchringen, den ersten Schritt zu tun und mich mit einer Adoption zu beschäftigen. Mir war das zu groß, die Verantwortung zu schwer. Und so bleibt es letztendlich ein vager Traum von einem Leben, das ich nie gelebt habe.

Die Figuren in Sáenz´ Roman haben auch nicht aus freien Stücken den Weg zueinander gefunden. Vincente hat seiner besten Freundin, als sie im Sterben lag, versprochen, sich um ihren Sohn Sal zu kümmern. Und der Junge selbst hatte im Alter von drei Jahren keine Entscheidungsgewalt. Aber die beiden führen ein Leben, das harmonischer kaum sein könnte. Auch wenn rund um sie herum vieles zusammenbricht, wenn Menschen sterben und sie immer wieder von Trauer überrollt werden – an der Beziehung zwischen (Adoptiv-)Vater und (Adoptiv-)Sohn kann nichts rütteln.

Dabei erzählt Sáenz nicht nur von den schönen Dingen, sondern nimmt im Grunde alle ihm zur Verfügung stehenden Werkzeuge in die Hand, um das harmonische Gleichgewicht ins Wanken zu bringen. Aber seine Figuren sind stark. Manchmal wissen sie das zwar nicht, aber sie gehen durch die Unbilden des Lebens und kommen sich dabei nur noch näher. Die Bemühungen des Autors werden also immer wieder erfolgreich zurückgeschlagen.

Mich lässt dieser Roman mit dem wunderbar schönen Vertrauen zurück, dass auch in dieser ungewissen und Turbulenten Zeit etwas bleibt: die Liebe. Sie ist der Kitt zwischen den Menschen. Sie hält uns am Leben. Sie gibt uns die Kraft, nach vorne zu sehen und jeden Tag mit der Hoffnung auf Besserung aufzustehen.


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